Freitag, 24. März 2017

Arrival (2016)

http://www.imdb.com/title/tt2543164/

Zwölf Alien-Raumschiffe landen auf der Erde, jeweils in unterschiedlichen Regionen. Die Menschen versuchen, mit den Außerirdischen zu kommunizieren, aber niemand versteht die walartigen Laute, die von den Aliens abgesondert werden. Im Auftrag der US-Regierung stellt Colonel Weber (Forest Whitaker) darum ein Team um die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) und den Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) zusammen, das eine Kommunikation mit den fremden Wesen herstellen soll, um deren Absichten in Erfahrung zu bringen. In Montana, wo eines der Schiffe über dem Boden schwebt, machen sich die beiden an die Arbeit – er, der rationale Naturwissenschaftler mit klarer Ansicht zu den Dingen, sie mit ihrem Sprachverständnis und ihrer ansteckenden Entdeckungsfreude. Doch bald beginnt ein Rennen gegen die Zeit, bei dem es um nicht weniger als den Fortbestand der Menschheit geht...

Basierend auf der spannend klingenden Kurzgeschichte "Story Of Your Life" von Ted Chiang, inszeniert der großartige Regisseur Denis Villeneuve mit "Arrival" einen ruhigen, leicht melancholischen Alien-Film, bei dem die Aliens im Grunde genommen nur die zweite Geige spielen. Im Zentrum der Geschichte steht nämlich mal nicht der ausserirdische Erstkontakt und dessen Auswirkungen auf die Welt (von ein paar plakativen und wenig innovativen "Fragen nach dem Gegeneinder oder Miteinander"-Momenten mal ganz abgesehen) sondern das Leben von Dr. Louise Banks (Amy Adams). Wer also mit der Erwartungshaltung an den Film geht, er bekomme spannende und phantasie-/actiongeladene Unterhaltung im Aufeinandertreffen zwischen Menschen und Außerirdischen geboten, dürfte sicher enttäuscht werden.

"Arrival" bietet etwas völlig anders. Etwas, das vorher so noch nicht da war. Hier muss die Menschheit erkennen, dass sie - nach all den Erfahrungen, die sie im Lauf der Vergangenheit mühsam gesammelt hat – diesen schicksalhaften Punkt erreicht und nicht einmal dazu in der Lage ist, "Hallo" zu sagen. Es ist frustrierend und verblüffend, genauso wie der Film selbst, der vor seiner immensen Bedeutung nahezu selbst erzittert. Letzten Endes darf er das aber auch, weil es so unfassbar wichtig ist, den Dialog anzustreben und in der Kommunikation eine Lösung zu finden.


Die Faszination von "Arrival" beruht vor allem auf einer unglaublich dichten Atmosphäre. Die meiste Zeit gibt es non-verbale Kommunikation über kreativ ausgearbeitete Kalligraphien welche auf - zu Beginn - unverständliche Traumsequenzen der Hauptprotagonisten treffen. Hier wird erneut schnörkellos in einer abgestimmten Symbiose aus in sich ruhenden Bildern und unterschwellig wirkender Musik Spannung und Interesse aufgebaut. Dafür nimmt sich Villeneuve wie in all seinen Filmen viel Zeit, was sich im Laufe der Geschichte auszahlen wird. Man kann sich als Zuschauer in diese klassische Sci-Fi-Geschichte bereitwillig hineinziehen lassen, die man anfangs genauso ahnungslos wie die Protagonistin selbst verfolgt und mit ihr gemeinsam erst mit zunehmender Laufzeit an Sicherheit in dieser neuartigen Ausnahmesituation gewinnt. Durch die stimmige Atmosphäre und die unruhestiftenden Bässe wird dem Zuschauer keine Ruhe vergönnt und lange ist die Richtung, in die der Film gehen wird, vollkommen unklar. Das korreliert mit dem Wissensstand der Protagonistin, was insgesamt richtig toll umgesetzt ist.

Besonders im Gedächtnis bleibt die Ankunft im Forschungscamp, bei der die Unruhe, die Hektik, mit der eine solche "Begegnung der dritten Art" zwangsläufig verbunden sein muss, richtig spürbar ist. Man merkt, dass alles 'auf der letzten Rille' läuft, wie ein Bienenschwarm - nur nicht halb so gut organisiert - versucht der Mensch, das Beste aus der Situation zu machen. Die Zivilisten sind dabei mit der Situation noch stärker überfordert als die Militärs und man selbst ist hautnah dabei. Mehr oder weniger hilf- und ratlos steht man in einem 500m hohem, halben Ei aus unbekanntem Material gegenüber, was durch seine stylische Schlichtheit und Funktionalität alles und nichts über seine Erbauer aussagt. Von aussen ist kein Einlass zu sehen, kein Fenster, kein Licht, keine Scharniere. Ein kompletter, dichter Körper. Eine Faszination für sich. Und es fallen im Folgenden noch ein paar weitere Referenzen an "2001" auf.

Visuell ist "Arrival" also wieder ein Leckerbissen. Nicht nur besticht das Produktionsdesign durch wohldosierte außergewöhnliche Ideen, auch die Kamera weiß, was sie will und zieht ihre Charakteristiken (und der Handschrift Villeneuves) stringent durch den ganzen Film. Auch wenn vor der Kamera alles zu eskalieren droht, sie dokumentiert in aller Ruhe, was geschieht, und schafft so eine noch bedrohlichere Atmosphäre, in der man nie weiß ob und wann sie kippen könnte. Amy Adams brilliert hier in einer komplexen Hauptrolle mit einer eindrucksvollen Performance, die man ihr voll und ganz abnimmt. Auch Jeremy Renner und Forest Whitaker spielen ihre Rollen ansprechend und mit sichtbarer Hingabe äußerst interessant.


Die Herangehensweise welche Dr. Louis Banks anwendet, um mit den Alienwesen zu kommunizieren, kommt der Definition des linguistischen Thrillers sehr nahe. Mit kleinen Nuancen und Schritten führt Villeneuve in die Erkenntnisse der Anthropologie. Über außerirdische überdimensionale Wesen wird eine Analyse dessen gegeben, wie unsere Sprache und damit verbunden auch unser Denken sich über Prozesse entwickelt und heranreift. Wie muss beispielsweise der soziale sowie textale Kontext sein, damit man versteht, was ein "Fragezeichen" ausdrückt oder was uns veranlasst "you" zu "your" zu unterscheiden. Dieser Akt wird von Villeneuve derartig originell und authentisch inszeniert, dass man sich als Zuschauer selber dabei ertappt, Assoziationen aus dem Alltag im Gedächtnis abzurufen, um die dargestellten Kommunikationswege nachzuvollziehen. So wird in der ersten Hälfte des Filmes der Zuschauer regelrecht auf natürlichem Wege aufgefordert mit Dr. Louis Banks eine Reise durch das Linguisten Milieu zu machen, um schließlich heraus zu finden, warum die Ausserirdischen denn überhaupt hier sind.

Und ab hier erschließt sich einem dann, wieso Villeneuve so detaillierte Ausschweifungen in die Welt der Kommunikation gemacht hat, wieso Wörter wie Palindrom, Theorien über wie verschieden gesprochene Sprachen das Denken verändern können oder Zeit nur eine relative Größe im Universum ist. All dies gibt dem Zuschauer einen Nährboden seine eigenen Interpretationen nachzugehen und mit seinen eigenen Gedanken das Finale für sich selbst zu entschlüsseln. Einzelne Stücke des Filmes fügen sich in Gedanken zu einem imposanten Ganzen zusammen. Abhängig wie man bestimmte Details von Villeneuve assoziiert oder reflektiert hat geben einem eigene Interpretationen über die "Waffe", das "Geschenk" oder die "geheime Nachricht". So bleibt der Film immer ein versöhnlicher, in dem die Naturwissenschaft und ihre Oppositionisten sich wieder vertragen, Supermächte Konflikte überwinden, indem sie ihre eigene Menschlichkeit wieder entdecken, oder ganz einfach Mensch und Mensch sich durch eine höhere Macht, die über alle Dimensionen geht, nämlich der Liebe, zueinander finden.

Bei einem solchen Plot, in dem gerade Assoziationen beim Zuschauer erzeugt werden sollen, ist Villeneuve mit seiner atmosphärischen und dramatischen Inszenierung der Richtige. Denn dadurch werden einem immer wieder Freiräume geschaffen. Die Kamera und die wundervolle bedrohlich klingende Musik, welche einem durch ihren vibrierenden tiefen Unterton unter die Haut geht, runden das Erlebnis perfekt ab. Mit diesem Film hat Villeneuve vieles richtig gemacht, zu bemängeln ist lediglich, dass einige Stellen manchmal ein wenig zu aufgesetzt bzw. stockend daherkommen. Damit ist einer der befriedigendsten Aspekte an Villeneuves elegantem und packendem "Arrival", dass es viele Alien-Invasion-Klischees auf unerwartete Weise mit Intelligenz und Herz neu aufrollt. "Arrival" ist eben genau das, was man in unsicheren Zeiten braucht - eine clevere Parabel über Aufgeschlossenheit und Vereinigung. Denis Villeneuve ist ein verdammtes Genie.

9/10

Von SONY Pictures Home Entertainment kam der Film auch im limitierten Steelbook. Dieses war bereits vor dem Tag der Veröffentlichung ausverkauft:

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