Donnerstag, 7. September 2017

The Deer Hunter - Die durch die Hölle gehen (1978)

http://www.imdb.com/title/tt0077416/

Michael (Robert De Niro), Steven (John Savage) und Nick (Christopher Walken) sind drei befreundete, russisch-stämmige Stahlarbeiter aus Pennsylvania. "Serving God and country proudly" steht auf einem großen Spruchband, als die drei Männer in den Vietnamkrieg ziehen. In der grünen Hölle werden sie schnell mit allen Grausamkeiten konfrontiert, die dem indochinesischen Konflikt immanent sind. Michael, Steven und Nick müssen zusehen, wie nordvietnamesische Soldaten unschuldige vietnamesische Bauern, vor allem Frauen und Kinder, töten und geraten alle drei in Gefangenschaft des Vietcong. Zusammen mit anderen traumatisierten Gefangenen zwingt der Vietcong die drei zu einem bestialischen "Spiel", in dem sie sich nacheinander einer Art russischem Roulette unter einem Bild Ho Chi Minhs aussetzen müssen. Michael aber findet eine Möglichkeit, dem selbstmörderischen Spiel zu entkommen...

Was kann einen Menschen aus der Bahn werfen und zu einem seelischen Wrack machen? Was könnte den Rahmen des Erträglichen sprengen, die Feder aus dem Antrieb springen lassen oder das Fass zum überlaufen bringen? Die Antworten darauf sind wohl so verschieden wie vielzählig. Aber nicht selten würde 'Krieg' genannt werden. Mit herausragenden Leistungen bringen Robert DeNiro, Christopher Walken und John Savage die körperliche und seelische Versehrtheit der Kriegsveteranen näher als es eigentlich noch nötig wäre. Eine 3 stündige Reise durch das vom Vietnam-Krieg traumatisierte Amerika der 70er, vom lebensbejahenden "Can't Take My Eyes Off You", über zwei Tropfen Wein auf einem Brautkleid und dem Irrsinn des Russischen Roulettes hin zum fantastischen Score Stanley Meyers, den erhabenen Panoramabildern Vilmos Zsigmonds bis zum finalen, bitter-trotzigen "God Bless America".

Eigentlich ist "The Deer Hunter" in erster Linie eine Freundschaftsgeschichte von drei jungen Männer, die aus dem gleichen Provinznest stammen, in patriotischer Absicht in den Krieg ziehen und letztlich verwundet zurückkehren. Dafür setzt der Film auf ein dreiteiliges Handlungsgerüst. Die drei Teile unterscheiden sich nicht nur handlungsmässig voneinander, sondern auch in deren Stimmungsbild. Sinnbildlich gibt es in den drei Teilen jeweils Einzelszenen wie auch Musikstücke, die den Seelenzustand der Protagonisten bestens dokumentieren. Im ersten Teil erlebt man dies in der halbstündigen Hochzeitsfeier, im zweiten Teil kann dies in der aufreibenden russischen Roulette-Szene und im dritten Teil wahrscheinlich in der Wiederbegegnung zwischen Linda und Michael beobachtet werden. Auch die Musik scheint sich diesem Konzept unterworfen zu haben. Anfangs trällern die Protagonisten fröhlich das erwähnte Musikstück "Can’t Take My Eyes Off You " und am Ende setzt "God Bless America" den Schlusspunkt. Es ist wohl auch bezeichnend, dass Musik in der Kriegsepisode keine Rolle mehr spielt.

Michael Ciminos Antikriegsdrama muss man dabei in Laufzeit und Tempo allerdings auch als Herausforderung benennen. "The Deer Hunter" ist möglicherweise nicht immer auf den Punkt inszeniert, aber auch gerade das erste Drittel mit der extrem langen Hochzeitsfeier ist passend, denn hier und auch beim ersten Jagdausflug findet eine ganz starke Charakterisierung aller Figuren statt, die Cimino auch gerne mal nur "im kleinen Rahmen" zelebriert. Der eingeschworenen Clique pennsylvianischer Stahlarbeiter wünscht man eigentlich nur das Beste für die Zukunft, was hier aber niemandem gegönnt wird, wenn die Bestie Krieg erst einmal von der Leine gelassen ist und sich durch Körper, Seelen, Träume und Herzen der Veteranen aber auch der Daheimgebliebenen beißt, während sie durch die erstickende Trostlosigkeit der heimischen Industriestadt streift.
 Die drei Stunden Laufzeit sind also durchaus angemessen und es gibt kaum Hänger. "The Deer Hunter" ist definitiv ein Meisterwerk, das man sich immer wieder anschauen kann. Was an diesem Film besonders gefällt, ist, dass Cimino die Handlung mit ausgesprochen visuellen Mitteln zu erzählen weiss. Es passiert auf den ersten Blick wenig und auch auf viele Worte wird verzichtet, doch Cimino lässt die Bilder und die Stimmungen für sich sprechen, die wohl sehr viel über den Gemütszustand der Protagonisten erzählen. Diese Erzählweise kann nur funktionieren, wenn hier richtig gute Schauspieler am Start sind. Diese findet der Zuschauer in Christopher Walken, Meryl Streep und dem überragenden Robert DeNiro, derhier erneut eine wahnsinnig guter Performance abliefert, weil er die Ambivalenz vom aggressiven, sensiblen und bedrückten Mann grandios widergibt. Zudem gibt es einige herausragend inszenierte Einzelszenen, die einen auch nach Filmende nicht mehr loslassen.

Alles in allem ist "Die durch die Hölle gehen" ist eine niederschmetternde Charakterstudie und dabei ungemein eindringlich, extrem langsam ohne auch nur eine Spur langweilig zu sein. Wenn man Interesse an spätem 70er-Jahre Kino hat, bekommt man hier ein cineastisches Monument vor den Latz geknallt, welches man nur mit Sauerstoffflasche erklimmen sollte und dem Wissen im Hinterkopf, dass der Abstieg hart ist und noch lange nachwirken wird.

8,5/10

Von Eightyfour Entertainment kommt der Film auch im auf 333 Stück limitierten Mediabook.

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