Mittwoch, 27. April 2016

[KINO] Captain America: Civil War - The First Avenger: Civil War (2016)

http://www.imdb.com/title/tt3498820/

Die Avengers haben sich mittlerweile als globale Einsatztruppe etabliert. Auch wenn sie mitunter nicht gerade zimperlich vorgingen - sei es gegen die invadierenden Chitauri in New York oder in Antwort auf Ultrons Attacke in Sokovia - der Zweck heiligte stets die Mittel. Als aber eine jüngste Mission zahlreiche menschliche Kollateralschäden fordert, ist die Geduld genug strapaziert. Die Vereinten Nationen verabschieden ein Dekret, die sogenannten Sokovia Accords. Demzufolge müssen Superhelden ihre Kräfte in den Dienst der UN stellen, nicht unähnlich einer polizeilichen Streitkraft, wenngleich bei weitem besser ausgestattet. Während Tony Stark (Robert Downey Jr.) diese Entscheidung begrüßt, sieht dies Captain America (Chris Evans) mit anderen Augen und das Recht auf Selbstbestimmung der Helden in Gefahr. Es entbrennt ein Streit um die Richtigkeit des Abkommens – mit Iron Man und Captain America als Vertreter der beiden entgegengesetzten Positionen. Wer nicht für den Vertrag ist und sich für die andere Seite entscheidet, wird automatisch zum Feind erklärt und unbarmherzig verfolgt. Es kommt zum Bruch der Avengers – und schlimmer noch: zum Bürgerkrieg.

Auf in Phase Drei des MCU und auf in den "Civil War". Nachdem Phase Zwei mit "Ant-Man" und "Avengers: Age Of Ultron" den rühmlichen Abschluss bildeten, wurde der dritte Teil um den Mann mit dem Sternenbanner heiß ersehnt. Es ist schon etwas seltsam bei Marvel. Es geht immer noch größer, höher, schneller, weiter und so richtig scheint man wohl nie auf dem Höhepunkt angekommen zu sein. Auch hier konnten die Trailer bereits begeistern, obwohl in Deutschland wieder einmal aus "Captain America" der "First Avenger" wurde, was dem Ganzen immer so einen Hauch von "Er, der nicht genannt werden darf" gibt. Superheldenmarketing in Deutschland ist offensichtlich kein leichtes Brot.

Aber "The First Avenger: Civil War" ist einmal mehr der Beweis dafür, wie gut das MCU (Marvel Cinematic Universe) funktioniert und wie sehr die einzelnen Filme von den etablierten Charakteren profitieren. Was nicht bedeutet, der Film hätte keine Fehler. Er lebt im Pronzip von allen anderen Filmen und führt sogar noch neue Charaktere ein, auf die man sich dann im nächsten Jahr freuen darf. Die Comic-Vorlage dient dabei nur als lose Inspiration. Was gut ist, denn einfach nur eine Geschichte nachzuerzählen, die die halbe Fangemeinde kennt ist auch nicht unbedingt immer gut. Geht es im "Civil War" Comic zum Großteil um die Enthüllung von Helden-Identitäten und die quasi Zwangsrekrutierung aller "speziell Begabten" durch die Regierung, spielt sich der Film auf einer intimeren Ebene ab.

"Civil War" schließt folgerichtig an die Zerstörungsorgie aus "Age Of Ultron" an und stellt ähnliche Fragen wie in "Batman v Superman", nach der Verantwortung und Kontrollierbarkeit von eigenmächtig handelnden Superhelden. Nach einem weiteren Unfall mit menschlichen Opfern drängen die Vereinten Nationen auf einen Beschluss, die sogenannten Sokovia Vereinbarungen die die Avengers und andere Helden unter die Überwachung der UN stellen sollen. Tony, der noch unter dem Schock vergangener Ereignisse und der verheerenden Kollateralschäden steht willigt ein, Captain America misstraut jeder Überwachung und fürchtet für die falschen Ziele instrumentalisiert werden zu können. Die Avengers spalten sich in zwei Gruppen und als sich der Cap dann noch schützend vor seinen ehemaligen Freund Bucky stellt, der als gehirngewaschener Winter Soldier grausame Taten begangen hat, eskaliert alles. Aufgewiegelt werden beide Seiten zudem von einem mysteriösen Typen namens Oberst Zemo, gespielt von Daniel Brühl. Schnell schaltet sich "The Black Panther" in den Kampf ein und Spider-Man wird rekrutiert, bevor sich alle am Leipziger Flugplatz so richtig auf die Fresse hauen, ehe Iron Man und Capatain America die Sache im Finale dann mechanisch ausdiskutieren. Das ist jetzt, vorsichtig ausgedrückt, nicht der komplexeste Plot der Welt und hat auch nicht ganz die epischen Dimensionen, die die Comicvorlage evozierte. Aber es funktioniert. Die Stärke der bekannten Charaktere und ihre Dynamik untereinander macht "Civil War" sowohl zu einer spannenden, humorvollen aber immer wieder auch überraschend emotionalen, ja sogar dramatischen Story.

Das funktioniert allerdings nur, weil der Zuschauer die Figuren kennt. Kennen muss, denn so viele Verweise gibt es auf die Filme aus Phase One und Phase Two. Sowohl Tony Starks Traumatisierung und sein zunehmend wahnhaftes Verhalten, die zivilen Opfer, die Spannungen in der Gruppe – alles hat seine Vorgeschichte und macht die Ereignisse des Films plausibler. Was natürlich auch den Schauspielern liegt. Robert Downey Jr wirkt nach "Age Of Ultron" deutlich motivierter und präsenter und Chris Evans schafft es immer wieder überraschend gut, eine potentiell langweilige "gute" Figur wie Steve Rogers mit Tiefe und Leben zu füllen. Die übrige Cast (es fehlen eigentlich nur Hemsworth und Ruffalo um die "Avengers" komplett zu machen) spielt ebenfalls souverän, auch wenn nicht alle so richtig viel zu tun haben.


Dafür überrascht Neuzugang Tom Holland als Spider-Man, dessen Rolle im Film zwar recht kurz ausfällt, dafür aber doch verblüffend gelungen ist. Trotz der begrenzten Screentime schaffen die Russo-Brüder ihm einen würdigen Einstand ohne viel Brimbamborium zu geben. Holland spielt Spidey als Mischung aus Maguires unsicherem Nerd, mit einem Hauch mehr linkischen Teenagertum und Garfields übercoolem Geplapper. Das kommt der Figur vielleicht näher, als es beide einzeln je kamen. Damit freut man sich auf den für 2017 anvisierten "Spider-Man: Homecoming" so dermaßen, dass man jede Szene mit Spidey förmlich aufsaugt. So wie dieser Peter Parker sein Netz als Waffe einsetzt, die Art wie er sich bewegt und dabei Sprüche klopft und damit den älteren Avengers durchaus auch auf die Nerven geht, das macht richtig Spaß. Und gerade in den beiden Hauptschlachtszenen stecken viele originelle optische Ideen und schöne Choreographien.

Das steht im angenehmen Kontrast zu vielen der kleineren Prügelszenen, die sich leider oft durch Nahaufnahmen und wackelige Kamera auszeichnen, was sie oft schlechter aussehen lässt als sie eigentlich ist. Doch trotz dieser Mängel und ein paar kleiner Hänger im Mittelteil, kann "Civil War" im Finale endgültig versöhnen. Denn wenn sich Rogers und Stark zum Schluss bekämpfen, dann wohnt diesem Kampf von Menschen, die eigentlich Freunde sind und deren Zerrissenheit sie gegeneinander treibt, eine überzeugend bittere Note bei, die ihn zu weit mehr macht, als nur einem weiteren Marvel-Showdown. Endlich mal schießt keine Energiesäule gen Himmel, endlich mal fliegt nix in die Luft und kein Helicarrier droht abzustürzen. Hier geht es um eine Freundschaft und Loyalitäten und eben weil der Zuschauer beide Figuren kennt und mag, funktioniert diese Prügelei auf einer Ebene die "Batman v Superman" an keiner Stelle erreicht. Mag der Plot auch nicht 100% wasserdicht sein, zumindest versteht der Zuschauer warum sich die Helden gerade auf die Fresse hauen.

Trotzdem gibt es auch hier Momente die nicht ganz so gelungen sind und die Höchstnote verwehren. Die Schlußszene, die die ganze Storyline zu sauber abschließt. Die halbgare Lovestory des Cap, die zwar für einen guten Lacher sorgt aber letztlich so kurz vorkommt, dass sie eher irritiert als die Figuren weiterbringt. Black Panther, der zwar adäquat eingeführt wirkt, aber ähnlich wie Spider-Man eher dem Franchise zuliebe mitspielt, als das er wirklich wichtig wäre. Was mit "Ant-Man" und "War Machine" ganz gut funktioniert, da sie durch vorige Filme schon etabliert sind, wirkt bei der Spinne und dem Panther stellenweise etwas ungelenk. Auch optisch ist der Film ein ebenfalls ein bisschen durchwachsen und hat keinen so konsistenten Stil wie sein Vorgänger. Man merkt den Russo-Brüder immer wieder an, dass sie sich noch an die ganz großen Actionsetpieces herantasten und das machen sie ganz gut, zwischendurch rutschen sie allerdings immer mal wieder in typische TV-Bilder ab und inszenieren mit zu wenig Scope, zu vielen klassischen TV-Einstellungen. Und ja: Der politische Diskurs, die Motivation Steve Rogers ist ein wenig dünn und hätte mit Verzicht auf ein paar Füllszenen sicherlich ein bisschen pointierter und deutlicher herausgearbeitet werden können.

Und leider kümmert wirklich niemanden Bucky. Er ist eine Plotdevice, ähnlich wie Daniel Brühls Schurke Zemo, der Aktionen auslöst, im Grunde aber immer langweilig bleibt. Bucky funktioniert ausschließlich durch die Zuneigung, die Rogers zu ihm empfindet. Seinetwegen der Zuschauer nicht, dass Bucky böse wird oder stirbt. Für sich genommen ist Bucky leider eine Nullnummer und Sebastian Stan der ihn verkörpert bleibt leider auch in seinem dritten Auftritt eher blass. Es ist irgendwie okay, dass er da ist, aber gäbe es eine andere Möglichkeit die Story in Gang zu halten, würde man ihn zu keiner Sekunde vermissen. Gleiches gilt übrigens auch Vision, der zwar eine der mächtigsten Figuren der "Avengers" ist, hier aber zu Tony Starks Türsteher degradiert wurde und dessen Szenen seiner Entwicklung als Figur eher schaden als nützen. Und dann ist da natürlich auch das Problem, dass der Film zum Ende hin auch ein wenig mut-und konsequzenzenlos bleiben muss, eben weil er Teil eines großen Franchise ist.

Doch das sind unterm Strich trotz allem Nichtigkeiten, denn über die meiste Zeit macht "Civil War" einfach extrem Spaß. Er überrascht, weil er epische Schlachten ankündigt, einen Bürgerkrieg der letztlich nur eine Rauferei unter Freunden ist, die allerdings so wirkungsvoll, witzig und auch anrührend umgesetzt wurde das am Ende bei aller Kritik eines blieb: Die Vorfreude auf den nächsten Film.

8,5/10

Bei zavvi UK gab es den Film in 4K von WALT DISNEY Studios Home Entertainment im limitierten Steelbook.


Quellen

Inhaltsangabe: Marvel / Disney

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