Sonntag, 15. Juni 2014

Pulp Fiction (1994)

http://www.imdb.com/title/tt0110912/

Was braucht man für ein gutes Stück Pulp Fiction (zu deutsch: Schundliteratur)? Ein Gauner-Pärchen, zwei Auftragskiller, eine Uhr, einen Koffer geheimnisvollen gold-glänzenden Inhalts, eine Menge Adrenalin in Form einer Spritze, Gespräche über das europäische metrische System von Fastfood und die Gefährlichkeit gewisser Fußmassagen, ein Bibelzitat (Ezekiel 25:17), einen versehentlichen Kopfschuss und einen Cleaner, einen Boxer auf der Flucht und die perverse Begegnung mit einem roten Gummiball, göttliche Vorsehung und eine Läuterung. Und das ist nur ein Bruchteil der Charaktere und Geschichten, die dem Publikum hier auf fundamentale Weise näher gebracht werden. Das Ganze wird auf geschickte Weise miteinander verwoben (gerne auch ohne die zeitliche Abfolge zu sehr zu berücksichtigen) und untermalt von einem groovenden Soundtrack. Heraus kommt ein Film, der direkt zum Klassiker wurde. Eben ein gutes Stück Pulp Fiction…

Ohne Zweifel Quentin Tarantions bester Film. Ein großes Stück Leinwandkultur. Aber warum? Ich denke, es war diese neue Idee, das Konzept des Episodenfilms nicht wie bisher so starr geradlinig zu erzählen und einzelne Episoden einfach mittendrin abzubrechen und diese dann irgendwann später oder sogar vorher weiter zu erzählen. So sieht man einen völlig wahllos zusammengewürfelten Handlungsstrang, der einem aber erst am Ende des Films ein Gesamtbild gibt - ähnlich wie einem Puzzle. Aber die Szenenabfolge war sicher nicht so wahllos zusammengestellt. Im Gegenteil. Sie hält einem ständig bei der Stange und lässt völlig belanglose Smalltalks und Dialoge ein einziges großes Konstrukt tragen. Komischerweise wird der Film auch zu keiner Sekunde langweilig oder gar langatmig, denn irgendwie schafft er es, in seiner Belanglosigkeit interessant zu wirken. Und dieses Interesse wird auch bei der zweiten, dritten oder gar zwanzigsten Sichtung nicht geschmälert. Mit Spannung, Action, Humor und einfacher Alltäglichkeit wird einfach nur erzählt. Genau das ist es, was ich an Tarantinos Filmen so liebe: die komplizierte banal wirkende Einfachheit.


"Der Pfad der Gerechten ist zu beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Gesegnet sei der, der im Namen der Barmherzigkeit und des guten Willens die Schwachen durch das Tal der Dunkelheit geleitet. Denn er ist der wahre Hüter seines Bruders und der Retter der verlorenen Kinder. Und da steht weiter ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten, und mit Grimm werde ich sie strafen, dass sie erfahren sollen: Ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an ihnen vollstreckt habe."

Neben den Dialogen, die wohl bis heute Kultcharakter besitzen, sind natürlich die Charaktere ausschlaggebend. Allen voran spielen Travolta, Willis und Jackson, Thurman und Roth einfach nur grandios. Man hat das Gefühl, dass ausnahmslos alle in ihren Rollen aufblühen, ja, diese geradezu leben. Der punktuell genauen Auswahl Tarantinos ist dies zu verdenken. Dazu ist die Musikauswahl ein nicht minderer Geniestreich. Der Film kommt komplett ohne Score aus und verlässt sich einzig auf handverlesene Musikstücke, von denen "Misirlou" von Dick Dale & His Del-Tones wohl bis heute der bekannteste Titelsong aller Zeiten ist. Ich bin so voll des Lobes, denn hier stimmt alles bis auf das letzte Detail: Settings, Story, Charaktere, Musik. Die Tanzszene von Thurman und Travolta zu "You Never Can Tell" von Chuck Berry ist ebenfalls legendär und wurde oft hommagiert. Der comichafte Stil, die Verspieltheit in einzelnen Szenen und vor allem auch die Gimmicks, die sich vereinzelt bis heute durch jeden Tarantino-Film ziehen (Fußfetischismus, "Red Apple"-Zigaretten, der "Mexican Standoff"). Selbst Anspielungen und Ideen für spätere Filme (etwa "Kill Bill") wurden geschickt verpackt und bereits angedeutet. Man merkt, Tarantino ist Filmfan und selbst ein kleiner Nerd.

"Pulp Fiction" ist und bleibt ein grandioser Episodenfilm, der am Anfang noch recht konfus wirkt, dann aber zum Ende hin klarer und deutlicher wird. Eindeutig ein Meisterwerk.

10/10

Seit 2013 gibt es eine schöne Blu-ray-Sammlung zum Kult-Regisseur Quentin Tarantino. Ein wunderschönes DigiPak, genial gestaltet und mit goldenen Lettern versehen. Das Teil sollte tatsächlich in keiner Sammlung fehlen:


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